Mein Besuch bei der Käserei Seiler in Sarnen

Früh morgens um acht traf ich mich mit Felix Schibli, dem Geschäftsführer der Seiler Käserei AG, im von hohen Bergen umrahmten Sarnen. Zunächst sprachen wir über die Geschichte der Firma Seiler. Ich erfuhr, dass der Wegfall der Schweizerischen Käseunion im Jahre 1999 den Weg für die freie Vermarktung des Seiler Käses ebnete.
Die Schweizerische Käseunion legte die Produktion der Käsesorten zentral fest, kaufte sie auf und vertrieb diese zu vom Schweizer Bundesrat festgesetzten Preisen. Sie legte fest, dass Seiler vor allem Sbrinz zu produzieren hatte - insgeheim hatte man aber bereits in den 70ern mit der Produktion von Raclette angefangen und diesen immer weiter verfeinert und verbessert. Gegen Ende der Käseunion galt die Vereinbarung, dass Seiler jederzeit in der Lage sein sollte, die Gesamtproduktion auf Sbrinz umzustellen, aber durchaus größere Mengen Raclette produzieren durfte.
Seiler wurde immer bekannter für ausgezeichneten Raclette-Käse und nach dem Wegfall der Käseunion stand der Weg frei, sich darauf zu fokussieren. Die exzellente Qualität wurde bereits mehrmals durch den Gewinn des Swiss Cheese Awards für den besten Schweizer Raclette-Käse bestätigt - zuletzt 2014!
Wie gelingt es Seiler nun, immer wieder auf's Neue, diesen hervorragenden Raclette-Käse zu produzieren?

Diese Frage führte uns zunächst in die Höhle! Im Jahre 2004 konnte Seiler via Bieter-Verfahren am südlichen Ende des Sarnersees einen Höhlenstollen vom Schweizer Militär erwerben, womit die Nutzung einem friedlichen, zivilen Zweck überführt werden konnte. Der 95 Meter lange Stollen bietet eine stabile Temperatur von 11° C, gleich bleibende Luftfeuchtigkeit und ist eingebettet in die aus Seiler-Sicht optimale Gesteinszusammensetzung aus Dolomit, Flysch (ein Sedimentgestein marinen Ursprungs) und Kreide. Im Stollen reift der Käse zur Perfektion.
Im Jahre 2013 wurde dann auch der 85 Meter lange Parallelstollen zum Reifelager umgebaut, so dass die Lagerkapazität nochmals um mehr als 50% erweitert werden konnte.
Zu Beginn des Reifeprozesses muss der Käse täglich gepflegt und gewendet werden. Früher mühsam von Hand, erledigen dies hier beeindruckende Käse-Pflegeroboter. Der Roboter erinnert an einen großen Gabelstapler in einem Lagerhaus. Dort, wo bei einem Stapler die "Gabel" ist, hat der Käse-Roboter ein flaches Förderband, mit dem er unter die Käse-Laibe (3 Stück pro Brett) fahren und ihn herausziehen kann. Dann deponiert er ihn auf einem Drehtisch im Roboterkörper. Nun erscheint von oben und von der Seite eine Bürste, der Teller beginnt sich zu drehen, der Käse wird abgebürstet und mit Wasser eingesprüht. Je nach Käsesorte und Philosophie können dem Wasser auch Gewürze, Weine oder andere Aromen beigefügt werden.

Die Roboter erhalten über Scan-Codes die Information, welcher Käse zu welchem Zeitpunkt gepflegt werden muss. Ein solcher Roboter kostet fast 1 Mio. Franken - ich habe heute mindestens 3 dieser Roboter gesehen. Mir wird sehr schnell klar, dass selbst das Lagern und Reifen mit einem hohen Aufwand betrieben wird.
Zurück in Sarnen geht es in die Produktion. Die Firma Seiler verarbeitet jährlich 10 Mio. Kilogramm Milch (1 Liter = 1,03 kg). Die Milch stammt von Bauernhöfen mit kontrollierter Landwirtschaft, direkt von den Hang- und Tallagen der näheren und weiteren Umgebung. Neben Seiler Raclette (in diversen Geschmacksrichtungen) werden auch die Sorten Seiler Bratkäse, Seiler Grotto und Seiler Sarnerli von dieser Milch produziert. Die täglich bis zu 35.000 kg Milch werden zunächst in entsprechend große Milchtanks gepumpt.
Von diesen Tanks aus wird die Milch in den schonenden Pasteurisierungs-Prozeß überführt. Seiler arbeitet ausschließlich mit pasteurisierter Milch, um eine gleichbleibende Qualität ihrer Produkte gewährleisten zu können.

Hiernach wird die Milch behutsam gerührt und es werden Lab und Milchsäure-Bakterien zugegeben. Das Lab lässt die Milch gerinnen (dick werden). Die Milchsäure-Bakterien vergären Milchzucker zu Milchsäure. Zunächst wird die Milch ruhig gelagert, damit das Lab und die Bakterien wirken können. In der Käseherstellung heißt dieser Vorgang "Dicklegen".
Hat die Milch den gewünschten Gerinnungsgrad (ähnlich zartem Joghurt) wird die geronnene Milch mit einer Käseharfe in korngroße Stücke "geschnitten". Beim Zerschneiden trennen sich die Käsekörner von der wässerigen Restflüssigkeit, Molke, Sirte oder Milchserum genannt - diese ist z.B. in der bekannten Rivella enthalten. Je kleiner die Käsekörner sind, desto fester wird der Käse - für den Seiler Raclette werden die Käsekörner also relativ klein "geschnitten". Nach dem Schneiden wird die Masse in die vorgesehenen Formen gepumpt - hier sind es runde und eckige für runden und eckigen Raclette-Käse.
Nun wird aus der Masse die Molke herausgepresst, die dann in extra Tanks befördert wird und Landwirten als Tierfutter-Zusatz bereitgestellt wird. Durch das Pressen werden die Körner fester und sie wachsen zusammen. Alle Käsesorten außer Frischkäse werde nach dem Formen in Salzlake gebadet. Das hält schädliche Bakterien fern und fördert die Bildung der Rinde. Der Seiler Raclette verbringt 34 Stunden im Salzbad. Hiernach darf der Käse ruhen und wird ins Lager gebracht, um "in Ruhe" reifen zu können.
Beeindruckt hat mich, mit welcher Akribie hier Käse produziert wird. Alle Schritte sind genau durchgeplant und optimiert. Nur so lassen sich diese Mengen in gleichbleibend hoher Qualität produzieren. Für uns als Händler und für Sie als Konsumenten bedeutet dies, sicher sein zu können, dass ein Seiler Raclette immer die Qualität eines Seiler Raclette besitzt.
Freundlicherweise übergab mir Felix Schibli zum Abschluss noch einige Geschmacksproben. Zuhause angekommen lud uns meine Frau gleich zum Raclette-Abend ein. Das Feedback unserer Kinder und meiner Frau war sehr, sehr positiv! Kommentar meines 8-jährigen Sohnes: "Wenn Ihr Euren Paketen diese Proben beilegen würdet, wäre das bestimmt eine tolle Werbung!" :-)

von Klaus Zweiacker